Kälteschäden

Allgemeine Unterkühlung und örtliche Erfrierungen

 

Themenübersicht

 

Wärmeregulation des Menschen

Wärmeverluste beim Bergsteigen

Einfluss von Wind und Kleidung (mit Wind-Chill-Faktor)

Vorbeugung von Kälteschäden

Allgemeine Unterkühlung

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei allgemeiner Unterkühlung

Lokale Erfrierungen

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei lokalen Erfrierungen

 

Im Gebirge herrschen oft sehr große Temperaturunterschiede, nicht nur zwischen Winter und Sommer, sondern auch innerhalb eines einzigen Tages. Verantwortlich dafür ist die sehr variable Differenz zwischen Mittagshitze und Nachtkälte, aber auch die deutliche Temperaturspanne zwischen Sonnen- und Schattenseiten. Hinzu kommt oft auch ein kurzfristiger, wetterbedingter Temperaturwechsel. Hitze und vor allem Kälte sind deshalb im Gebirge sowohl bei der Ausrüstung wie auch für eventuelle Gesundheitsschäden immer ein wichtiges Thema.

 

Wärmeregulation des Menschen

Der Mensch braucht als Warmblüter eine konstante Körpertemperatur von ca. 37,5° Celsius, da die chemischen Prozesse seines Organismus nur in engen Grenzen funktionieren. Von der Stoffwechselenergie fallen ca. 75% als Wärme (bzw. Abfallprodukt) an, der Rest wird in Ruhe hauptsächlich von den inneren Organen, bei der Arbeit von der Muskulatur benötigt.

Zur Wärmeregulation dient hauptsächlich die Haut, vor allem von Armen und Beinen, da sie  eine große Oberfläche und damit eine gute Kühlfunktion haben. Bei Hitze wird durch eine verstärkte Durchblutung der Blutgefäße in diesen Bereichen eine Wärmeabgabe an die Umgebung erzeugt, das rückströmende Blut kühlt dann den Körperkern.

Bei Kälte funktioniert das Ganze umgekehrt: Durch Engstellung der Blutgefäße in den Extre­mitäten wird die Durchblutung der Peripherie vermindert, damit primär der Körperkern mit seinen lebenswichtigen Organen (Herz, Lunge, Leber, Niere, Gehirn) versorgt wird und warm bleibt. Diese so genannte „Kreislaufzentralisation“ stellt einen wirksamen Selbstschutz des Organismus zum Überleben dar, eventuell jedoch auf Kosten von Erfrierungen in der Peripherie.

Beim Schock bzw. Kreislaufzusammenbruch ist genau das Gegenteil der Fall: Der Körperkern
bekommt durch größeren Blutverlust oder fehlgesteuerte Blutverteilung weniger Blut als er brauchen würde.

 

Wärmeverluste beim Bergsteigen

Sie werden hervorgerufen durch Kälte, wobei vor allem Nässe und Wind die Auskühlung gefährlich verstärken.

Risikofaktoren für allgemeine Unterkühlung:

Tiefe Lufttemperatur: Zusätzlich zur Wärmeabstrahlung von bis zu 30 % (z.B. beim Bi­wakieren) kommt es zu Wärmeverlusten durch den ausgeatmeten Wasserdampf in der Atemluft

Wind: Normalerweise existiert eine stabile warme Luftschicht als schützende Hülle um den Körper (Prinzip von Daunenjacke oder Faserpelzbekleidung), die jedoch bei Sturm fortgeblasen wird (siehe auch Wind-Chill-Faktor, Seite xx)

Feuchte Kleidung: Sie führt zu Wärmeverlusten des Körpers durch Verdunstung von Feuchtigkeit (gleiches Prinzip wie beim Schwitzen)

Erschöpfung oder Verletzungen: Durch das Aufbrauchen der Energiereserven nimmt die aktive Bewegung ab, und es wird weniger Wärme produziert

Unterdrückung des Kältereizes: Durch Alkohol, Drogen, Bewußtseinsstörungen oder sehr großen Streß kann das normale Muskelzittern ausbleiben

Spaltensturz und Lawinenverschüttung: Sie stellen neben ihren mechanischen Verletzungsmöglichkeiten durch die großflächige Berührung mit Eis und Schnee bei längerer Exposition ebenfalls ein hohes Risiko von allgemeiner Unterkühlung dar
 

Risikofaktoren für lokale Erfrierungen:

Enge Kleidungsstücke oder Schuhe: Sie vermindern die lokale Blutzirkulation, vor allem in den besonders gefährdeten Fingern und Zehen

Verlust von Kleidungsstücken: Bei großer Kälte ist der Verlust von  Handschuhen, Gamaschen oder Mützen sehr gefährlich

Wassermangel: Durch Bluteindickung kommt es zu einer gestörten Zirkulation und zu langsamerem Sauerstoff-Transport mit schlechterer Gewebeversorgung

Große Höhe: Sauerstoffmangel durch Luftdruckabfall begünstigt ebenfalls örtliche Er­      frierungen im Gewebe

Weitere Risikofaktoren sind bereits bestehende Durchblutungsstörungen, vorausgegangene Erfrierungen und Rauchen bei Kälte (Nikotin verengt deutlich die Blutgefäße im Gewebe!).

 

Einfluss von Wind und Kleidung

Der Einfluss des Windes spielt eine sehr wichtige Rolle für den Abfall der Körpertemperatur bzw. für eine Unterkühlung: Der sogenannte „Wind-Chill-Effekt" kann  bereits bei geringen Windgeschwindigkeiten zu einer deutlichen Erhöhung des Wärmeverlustes gegenüber Windstille führen.

Auch verschiedene Bekleidung hat unterschiedliche Einflüsse: Bei zehn Grad Celsius und zwei Stunden Einwirkzeit kommt es bei Isolation nur mit Baumwolle zu einem Abfall der Körpertemperatur auf 25 Grad Celsius, bei der Kombination von Baumwolle mit einer reflektierenden Alufolie auf 27 Grad Celsius und mit modernen Bekleidungsmaterialien wie z.B. Goretex nur auf 32 Grad Celsius.

Bei Kleidung und Schuhen hat sich in den letzten Jahren die Ausrüstung für den Bergsteiger entscheidend verbessert. Gerade beim Bergsteigen in der Kälte (Hochtouren, Skitouren, Expeditionen) hat sich moderne Sportunterwäsche aus Polypropylen weitgehend durch­gesetzt, da die Feuchtigkeit von der Haut weg nach außen transportiert wird. Faserpelz als die „mittlere Bekleidungsschicht" ist ebenfalls leicht, warm, schnelltrocknend, praktisch und bequem zu tragen. Goretex-Materialien und ähnliche Stoffe als „äußere Schicht“ haben sich mit ihren wind- und wasserdichten Membranen, die ebenfalls bis zu einem gewissen Grad Feuchtigkeit nach außen transportieren, generell im Outdoor-Markt etabliert. Alle diese Materialien haben die Kleidung des Bergsteigers innerhalb von wenigen Jahren revolutioniert und das Risiko von Kälteschäden deutlich gesenkt, da sie zudem auch als Handschuhe, Kopfbedeckung oder Fußbekleidung erhältlich sind.

Zu dieser Palette gehören auch die Plastik- (und Goretex-) Bergschuhe mit ihren unempfind­lichen Kunststoffmaterialien, die nicht mehr -wie nasse Lederstiefel -gefrieren können. Modernes Isolationsmaterial bei den Innenschuhen, Detailverbesserungen wie elastischere Kunststoffe oder integrierte Gamaschen haben die Erfrierungsgefahr gerade beim Winter- oder Höhenbergsteigen stark herabgesetzt.

Merke: Trotz moderner Ausrüstung können auch heute immer noch schwere Kälteschäden auftreten, wenn Unkenntnis, Nachlässigkeit oder Fehlentscheidungen vorliegen!
 

Vorbeugung von Kälteschäden

Zunächst muß man einmal an die Gefahr denken bzw. ein Problembewußtsein dafür entwickeln, da sich Kälteschäden meist langsam und schleichend einstellen. Schmerzen treten oft nur am Anfang auf und werden übersehen bzw. nicht ernst genommen. Deshalb ist hier gerade bei beginnender Ermüdung ein regelmäßiger Partnercheck besonders wichtig!

Zusätzlich zu der empfohlenen Kleidung sollte bei entsprechenden Touren trockene, warme Ersatzwäsche mitgeführt werden. Dazu zählen Unterhemd oder T-Shirt, evtl. eine lange Unterhose, Socken, Handschuhe, Sturmhaube sowie Halstuch oder Schal. Ein elastischer, textiler „Schlauchschal" dient universell entweder als Stirnband, Mütze oder Halsschutz.

Nasse Wäsche sollte unbedingt rechtzeitig gegen trockene Ersatzwäsche gewechselt werden. Oft genügt es, trockene (Sport-) Unterwäsche anzuziehen, die darüberliegenden feuchten Schichten können durch warme Überkleidung wieder am Körper trocknen. Selbst bei Tagestouren lohnt sich dieses Prinzip für ein besseres Wohlbefinden. Ist die Kleidung sehr feucht bzw. nass, zieht man sie am besten außen an (also z.B. Hemd über Faserpelz), da sie dort trocknet und noch etwas wärmen kann. Feuchte Wäsche oder Innenschuhe können auch über Nacht im Schlafsack getrocknet werden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Gerade bei Expeditionen ist es ein alter Trick, vor dem Gipfelsturm die Füße zu waschen und frische Socken anzuziehen, da so eine bessere Wärmeisolation bzw. geringere Erfrierungsgefahr besteht.

In jedem Fall sollte als Biwakschutz im Rucksack eine Alu-Rettungsfolie (2 x 1 m) sein, während ein Biwaksack aus Platz- und Gewichtsgründen in der Praxis leider meist nur für größere Touren eingepackt wird. Wichtig und komfortabel ist eine Mini-Isoliermatte als Schutz vor Bodenkälte, die meist in der Größe eines (aufblasbaren) Sitzkissens erhältlich ist. Man­che Rucksackmodelle haben eine solche herausnehmbare Isolierschicht im Rückenteil ein­gebaut. Alternativ hat sich auch eine ca. acht Millimeter dicke Isoliermatte in der Größe von ca. 80 x 35 cm bewährt, die einmal zusammengefaltet als Sitzkissen in jeden Rucksack passt. In voller Größe dient diese Unterlage sogar als Liegefläche bei Biwaks, da sie von den Schultern bis zum Gesäß reicht, während Kopf und Beine leicht auf Rucksack, Seil oder Ähnlichem liegen können.

Auch das Vermeiden von Erschöpfungszuständen bzw. eine ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr beugen Kälteschäden vor. Warme Getränke aus der Thermosflasche oder vom mitgenommenen (Mini-) Kocher können die Ausdauer und Moral entscheidend verbessern. Weniger bekannt ist, dass man auch mit Essen die Kälte bekämpfen kann: Speziell Eiweiße, also vor allem Milchprodukte und Fleisch, haben eine sogenannte spezifisch dynamische Wirkung, d.h. beim Verdauen im Magen-Darm-Trakt fällt als Abfallprodukt zusätzliche Wärme an.

 

Merke: Entscheidend für die Vermeidung einer Unterkühlung ist besonders das Herstellen einer möglichst windstillen Situation, z.B. durch entsprechend dichte Kleidung, Biwaksack oder das Graben einer Schneehöhle.


Allgemeine Unterkühlung

Sie tritt beim Bergsteigen vor allem auf beim Sturz in kaltes Wasser oder in eine Spalte, beim Biwakieren im Freien, innerhalb einer Lawine oder beim Auskühlen über mehrere Tage, z.B. auf Expeditionen. Häufig ist die Unterkühlung ein Begleitsymptom einer gleichzeitig vorhandenen Erkrankung oder Verletzung und oft bestimmt sie sogar die weitere Prognose bei einem Notfall.

Die Abkühlungsgeschwindigkeit  hängt mehr von der unmittelbaren Umgebung als von der Außentemperatur ab: Am schnellsten kühlt der Körper beim Eintauchen in kaltes Wasser ab, dann folgen Kälteexposition und Verschüttung in einer Lawine.

Zusätzliche Risikofaktoren sind:

Verletzung mit Bewußtseinstrübung (z.B. bei Schädel-Hirn-Trauma)

Erschöpfung (mit Aufbrauch der Energiereserven)

Schwere chronische Erkrankungen

Vergiftungen, z.B. durch Alkohol, Drogen oder Medikamente

Besonders gefährdet sind Kinder unter acht Jahren (schlechteres Verhältnis der Körperoberfläche zum Gewicht) und Ältere über 60 Jahren (wegen nachlassender Abwehrreaktionen).

Eine Abkühlung verlangsamt alle Stoffwechselvorgänge und führt über zunehmende Aktivitätsabnahme bis hin zur Bewusstlosigkeit. Das Absinken der Körperkerntemperatur unter den Sollwert, d.h. auf weniger als 35°C, ist vorrangig zu behandeln, da die Unterkühlung gefährlicher ist als eine lokale Erfrierung. Die einzelnen Stadien gehen fließend ineinander über und sind nicht immer genau voneinander abgrenzbar (siehe auch Tabelle).

Zeichen der allgemeinen Unterkühlung:

Stadium 1 (37-32 Grad): Unterkühlter ansprechbar mit Muskelzittern.

Erregungssteigerung als Gegenregulation mit Kältezittern der Muskulatur („Verheizen" durch Stoffwechselsteigerung auf etwa das 2,5-fache), Erhöhung von Puls und Atmung, Verengung der kleinen Hautgefäße verbunden mit Schmerzen, Bewusstsein klar (evtl. leicht verwirrt)

Stadium 2 (32-28 Grad): Unterkühlter schläfrig ohne Muskelzittern.

Erregungsabnahme durch Energiemangel (zunehmende Verlangsamung aller Lebensvorgänge), Puls und Atmung unregelmäßig, keine Schmerzen mehr, steife Muskeln, Bewusstsein getrübt (bis hin zum „Lähmungsstadium“)

Stadium 3 (28-24 Grad): schwerUnterkühlter nicht mehr ansprechbar.

Bewusstlosigkeit (Reaktionslähmung) mit akuter Lebensgefahr! Puls kaum tastbar, tiefe Atmung mit Pausen, keine Schmerzreaktion, weite, aber evtl. auf Licht noch reagierende Pupillen (Komastadium)

Stadium 4 (unter 24 Grad): Scheintod / Tod.

Puls nicht mehr tastbar, Atemstillstand, weite lichtstarre Pupillen


Spezielle Aspekte bei der Unterkühlung

Die Probleme einer Beurteilung von Unterkühlung im Gelände liegen in der individuellen Kältereaktion und in der Bewusstseinsbeeinflussung auch durch zusätzliche Faktoren wie Verletzungen, durchblutungsbedingte Erkrankungen, Einnahme von Medikamenten oder Alkohol sowie Erschöpfung.

Temperaturmessungen des Körperkerns sind entscheidend für die einzuschlagende Be­handlung, für die Beurteilung der Prognose oder für die Feststellung des Todes. Dabei wird grob unterschieden zwischen einer „Safe Zone“ bis maximal 32 Grad Celsius, in der die körpereigenen Abwehrmechanismen noch funktionieren, und einer „Danger Zone“, in der Unterkühlte äußerst vorsichtig „wie ein rohes Ei“ zu behandeln sind. Bei den üblichen elektronischen Thermometern ist zu beachten, dass der untere Temperaturbereich möglichst tief reicht, um auch bei Unterkühlung noch messen zu können.

Vorteilhaft für eventuelle Wiederbelebungsmaßnahmen ist, dass die Überlebenszeit des Gehirns bei herabgesetzter Körpertemperatur deutlich verlängert wird. Normalerweise beträgt diese ab Beginn des Sauerstoffmangels maximal fünf Minuten, danach treten irreparable Gehirnnervenschädigungen auf. Als Faustregel gelten etwa sieben Prozent mehr Überlebenszeit pro ein Grad Celsius Temperaturabfall. Das bedeutet bei 30 Grad Celsius Körpertemperatur etwa zehn Minuten Überlebenszeit, bei 25 Grad Celsius 25 Minuten und bei 20 Grad Celsius 45 Minuten. Ab 28° Celsius Körpertemperatur nimmt der Sauerstoffverbrauch stark ab. Er sinkt bei 24° Celsius etwa auf 50% und bei 20° Celsius auf 25% der Normalwerte ab. Nur dadurch ist es möglich, dass schwer Unterkühlte auch nach einem längeren Herz-Kreislaufstillstand ohne Dauerschaden überleben können.

Bei sehr tiefer Körpertemperatur erlöschen die Vitalfunktionen und es ist von außen nur sehr schwer feststellbar, ob der Patient noch lebt. Deshalb gilt – außer bei eindeutigen  mechanischen Todesursachen -das Prinzip:

Merke: Niemand ist tot, bevor er wiedererwärmt und tot ist!

Dies wird durch die Tatsache belegt, dass in den letzten Jahren erfolgreiche Wiederbelebungen ohne Dauerschäden bei schwer Unterkühlten mit einer Körpertemperatur von nur 13° Celsius gegeben hat!

 

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei allgemeiner Unterkühlun

Generell gilt:

  • Bewegungsarme Bergung
  • Herstellen windstiller Verhältnisse
  • Kälteisolation bzw. Wiedererwärmung

Immer ist ein Kälteschutz durch Alufolie, Biwaksack, zusätzliche Bekleidung und Ähnlichem zu empfehlen, um eine Isolation gegen Bodenkälte und Windeinfluss zu erreichen. Im Gelände keinen Alkohol verabreichen, der zwar einen hohen Brennwert hat, aber gleichzeitig zu einer Steigerung der Hautdurchblutung mit gefährlicher Wärmeabgabe an die Umgebung führt!

Stadium 1 (37-32°C):

  • Schutz vor weiterer Auskühlung
  • Feuchte Kleidung durch trockene Wäsche ersetzen
  • Den Unterkühlten vorsichtig bewegen lassen
  • Heiße, süße Getränke (Körpererwärmung von ca. 1° Celsius pro Liter )

Stadium 2 (32-28°C):

  • Schutz vor weiterer Auskühlung
  • Wärmebeutel am Rumpf
  • Heiße Getränke nur bei sicherem Schlucken (wenn Patient bewußtseinsklar)
  • So wenig wie möglich bewegen, d.h. behandeln wie ein „rohes Ei“!


Stadium 3 (28-24°C):

  • Transport in ein zentrales Krankenhaus (mit Herz-Lungen-Maschine)


Stadium 4 (unter 24°C):

  • Beatmung und Herzdruckmassage


Gefahr des „Bergungstodes“

Ab Stadium 2 (unter 28° Celsius) ist ein Aufwärmen im Gelände nicht mehr möglich und es sollten keine aktiven oder passiven Bewegungen bzw. Massagen mehr durchgeführt werden, da  der sogenannte „Bergungstod“ droht. Dabei kommt es durch Vermischung des kalten Schalenblutes mit dem warmen Kernblut (siehe auch Abbildung yy) zu einem gefährlichen Temperatursturz, und damit zum Kreislaufschock (blasse, feuchtkalte Haut, Pulsanstieg über 100, schwache und beschleunigte Atmung), zu Herzrythmusstörungen oder evtl. sogar zum Herzstillstand! Daher keine derartigen Manipulationen durchführen (auch keinen Kleiderwechsel!), sondern für schnellen passiven Abtransport in guter Wärmeisolierung sorgen. Sollten Bewegungen von Rumpf und großen Gelenken unvermeidbar sein, dann nur so langsam und schonend wie möglich! Aus den gleichen Gründen soll auch zunächst nur der Körperkern (Rumpf) aufgewärmt werden, und zwar mit vorgewärmten Decken, Helferwärme oder Wärmebeutel (über dem Pullover).

 

Erwärmung durch Hibler-Wärmepackung

Am besten eignet sich die sogenannte Hibler-Wärmepackung. Dabei werden große chemische Wärmebeutel oder notfalls auch mehrfach zusammengefaltete, feuchtheiße Tücher auf die Unterwäsche von Brust und Bauch gelegt, nicht jedoch auf die nackte Haut. Darüber folgen Kleidung, Alufolie (quer) nur um den Rumpf sowie zwei  Decken (einmal längs und einmal quer) und Biwaksack um den ganzen Körper mit einem guten Abschluss am Hals. Eine warme Mütze schützt den Kopf, da über ihn wegen der schlechten Isolation und der geringen Gefäßregulation bis zu 50% der Körperwärme verloren gehen können. Bei dieser Methode erfolgt  die Wärmezufuhr nur über den Rumpf mit den lebenswichtigen inneren Organen, während der sonstige Körper mit seinem kalten Schalenblut zunächst nicht extra erwärmt wird, sondern später langsam vom Zentrum her wieder „auftauen“ soll. Die Hibler-Wärmepackung sollte bei längerem Abtransport alle ein bis zwei Stunden erneuert werden, z.B. durch neue Wärmebeutel oder durch heißes Wasser aus Thermosflaschen.

Während die reinen Expositions-Unterkühlungen, z.B. nach Spaltensturz, die besten Pro­gnosen haben, sind die Überlebensraten bei zusätzlichen Verletzungen sowie vor allem bei Lawinenopfern deutlich schlechter ( siehe auch Kapitel Lawinenunfall).

 

Lokale Erfrierungen

Beim Erfrierungsvorgang handelt es sich um einen lokal begrenzten Kälteschaden ohne Abkühlung des Körperkerns. Es kommt dabei nicht nur zu Eiskristallbildung, Zellschädigung oder gar Absterben, sondern auch immer zu einer schweren Durchblutungsstörung der angrenzenden Bezirke. Besonders gefährdet sind Zehen, Finger, Nase, Ohren infolge großer Oberfläche und schlechter Blutversorgung. Der Kältereiz führt zum Zusammenkrampfen der Blutendgefäße, zur Engerstellung der Blutzufuhr (Drosselung), zum Aneinanderkleben von Blutplättchen und -verbunden mit eventuellem Sauerstoffmangel in größeren Höhen -zu einer Verlangsamung und schließlich zum Stillstand des ernährenden und erwärmenden Blutstromes. Der Kälteeffekt wird durch Wind und Nässe gesteigert, wobei Erfrierungen der Füße in nassen Schuhen schon bei Temperaturen weit über null Grad möglich sind! Besonders gefährlich ist auch die Kombination von Kälte und Druck (enge Schuhe oder Steigeisenbindung). Der Beginn der örtlichen Erfrierung ist meist unmerklich und schmerzlos. Das einzige Warnsymptom besteht in anhaltender Gefühllosigkeit und muß unbedingt beachtet werden.
 

Merke: Im Gelände sind Schweregrad und Ausdehnung der Erfrierung noch nicht zu unterscheiden -jede Erfrierung sieht anfangs aus wie eine Erfrierung ersten Grades!

Grad 1: Blasses, (grau-) weißes, kaltes, gering geschwollenes Gewebe, schmerzlos, jedoch mit Gefühlsstörungen (Taubheit). Nach dem Auftauen ist die Haut gerötet, später evtl. bräunlich verfärbt und blättert nach ein paar Tagen ab. In der Regel kommt es zu vollständiger Heilung, jedoch bleibt eventuell eine lokale Kälteempfindlichkeit bestehen.

Grad 2: Die Gegenregulation (Engstellung der Blutgefäße) ist aufgehoben. Dadurch entsteht ein scheinbar wohliges, aber psychologisch gefährliches Wärmegefühl, da  der Erfrierungsprozess trotzdem weiterschreitet! Es kommt zu blauroter Verfärbung, Blasenbildung mit Infektionsgefahr und zu Zerstörun­gen im Haut- und Unterhautgewebe. Die Schäden sind erst nach ein bis drei Tagen beurteilbar.und hinterlassen meist ein sehr empfindliches Gewebe an der Erfrierungsgrenze.

Grad 3: Es kommt zu arteriellen Gefäßverschlüssen und tiefen Gewebszerstörungen sowie Entzündungen und Geschwüren. Charakteristisch sind meist harte, gefrorene Gewebeschichten sowie nach Auftauen völlige Gefühllosigkeit und starke Schwellung. Später entstehen eine blauschwarze Verfärbung und eine Mumifizierung mit scharfer Abgrenzung vom gesunden Gewebe sowie eine Abstoßungsreaktion. Das Ausmaß des Schadens ist spätestens nach ein bis zwei Wochen erkennbar, die Abheilung kann Monate dauern.

 

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei lokalen Erfrierungen

Sofortmaßnahmen im Gelände

Hierzu gehören zunächst Windschutz in einem Biwaksack oder Schneeloch sowie das Lockern von einengenden Kleidern oder Schuhen. Erfrierungen im Gesicht (meist rundliche weiße Flecken an Nase, Wangen oder Ohren) werden durch Auflegen von warmen Händen erwärmt. Das gleiche gilt für gefühllose Zehen, wobei dies nur an einem günstigen, windstillen Ort erfolgen sollte. Ein Auftauen in der Achselhöhle oder zwischen den Oberschenkeln kommt vor allem für taube Finger und Hände in Frage. Chemische Wärmebeutel sollten nur bei beginnender Erfrierung eingesetzt werden.

Aktive Bewegungsgymnastik und vorsichtige Massagedürfen nur dann durchgeführt werden, wenn gleichzeitig keine allgemeine Unterkühlung vorliegt. Ansonsten sollten nasse Kleider gewechselt und warme Getränke gegeben werden. Körperteile, die an Metallgegenständen festgefroren sind, sollten mit lauwarmem Wasser abgelöst werden.

Bei schweren Erfrierungen ist wegen der Gefühllosigkeit und Hautempfindlichkeit ein warmer, lockerer Verband nötig sowie eine druckfreie Lagerung und passiver Abtransport, z.B. in eine Hütte, da eine entsprechende Behandlung im Freien kaum möglich ist.

 

Erste Hilfe in warmer, windgeschützter Umgebung

Nur in Unterkünften mit günstigen äußeren Bedingungen (warme Hütte oder Zelt) ist die weitere Behandlung mit Auftauen der erfrorenen Gliedmaßen sinnvoll. Nur hier ist auch die Gabe von Alkohol empfehlenswert, da er durch seine starke gefäßerweiternde Wirkung die Durchblutung im Gewebe fördert. Eine Behandlung von Erfrierungen ist nur dann sinnvoll, wenn keine allgemeine Unterkühlung vorliegt bzw. ein Unterkühlter bereits erfolgreich wiedererwärmt worden ist.

Am günstigsten, vor allem bei frischen Erfrierungen, ist ein rasches Auftauen der er­frorenen Körperteile in einem körperwarmen Wasserbad bis maximal 40 Grad Celsius mit aktiven Bewegungen. Dies ist allerdings sehr schmerzhaft, deshalb am besten mit Schmerzmitteln und, falls möglich, unter ärztlicher Kontrolle durchführen. Nach dem Beginn mit lauwarmem Wasser wird unter aktiven Bewegungen der Finger oder Zehen laufend warmes Wasser nachgegossen. Das Bad kann beendet werden, wenn eine rosige Hautfarbe auftritt, das Gewebe ganz aufgetaut ist und auch wieder Bewegungen möglich sind, spätestens jedoch nach 30 Minuten, damit es zu keiner Hautaufweichung kommt.

Nach vorsichtigem Abtrocknen empfiehlt sich ein keimfreier Watteverband. Bei oberflächlichen Erfrierungen kehrt das Gefühl nach dem Auftauen schnell zurück, bei tiefen Erfrierungen jedoch nicht. Ansonsten Hochlagern der betroffenen Extremität, um Schwellungen zu vermeiden. Eine zusätzliche Gabe von Aspirin (100 -300 mg) führt über eine Blutverdünnung zu einer besseren Durchblutung des geschädigten Gewebes.
 

Merke: Vermeide Einreiben mit Schnee (da Hautverletzungen möglich), eröffne keine Blasen (da Infektionsgefahr), nehme erfrorene Stellen nicht in den Mund (wegen Verdunstungskälte durch Feuchtigkeit) und rauche nicht (da Gefäßverengung)!


Besonders gefährlich ist eine zu starke trockene Erwärmung (z.B. über einem Feuer), da wegen Gefühllosigkeit sogar gleichzeitig Verbrennungen des Gewebes drohen. Deshalb sollten auch chemische Wärmebeutel nur bei beginnenden Erfrierungen eingesetzt werden.

Ein hohes Risiko hat auch  das Wiedereinfrieren zwischenzeitlich aufgetauter Gliedmaßen im Gelände. Deshalb kann es in Notfällen besser sein, erfrorene Gliedmaßen im Gelände nicht aufzutauen (z.B. über Nacht). Falls die Füße Erfrierungen dritten Grades aufweisen und noch einige Stunden weitergelaufen werden muss, sollte dies besser mit gefrorenen als mit aufgetauten Füßen versucht werden, da sonst starke Schmerzen und Entzündungen auftreten können und darüber hinaus bei Wiedereinfrieren große Gewebeverluste drohen.


Folgen von Erfrierungen

Nach der Wiedererwärmung erscheinende helle, homogene Blasen haben eine bessere Heilungschance als dunkle und blutgefüllte Blasen, die auf alle Fälle Dauerschäden erwarten lassen. Frühamputationen werden heutzutage nicht mehr durchgeführt, stattdessen wird die Spontanabstoßung des zerstörten Gewebes abgewartet, was mehrere Monate dauern kann. Mögliche Spätfolgen sind Durchblutungsstörungen und eine erhöhte Gefahr von weiteren Erfrierungen.

Da die Haut von erfrorenen Fingern oder Zehen auch nach dem Abheilen noch sehr dünn und empfindlich ist, sollte bis zum erneuten Klettern aus Sicherheitsgründen mindestens ein halbes Jahr abgewartet werden, bis die Haut wieder belastbarer und widerstands­fähiger ist.

 

Literatur:

Erste Hilfe und Gesundheit am Berg und auf Reisen

Alpine Lehrschrift von Dr. Walter Treibel

Bergverlag Rother München, 2. Auflage, 2011